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Düsseldorf

Stellungnahme zur IHK-Kampagne "Rettet den Flughafen"

   AKTIONSGEMEINSCHAFT NRW "KAMPF DEM FLUGLÄRM" e.V.    40474 Düsseldorf, Nagelsweg 26 Tel. u. Fax 0211/453321 Vorsitzende: Dr. med. Renate Wildanger

 

Offener Brief

 

Herrn Hauptgeschäftsführer Dr. Udo Siepmann

IHK zu Düsseldorf

Postfach 10 10 17

D-40001 Düsseldorf    

11.10.03

Gemeinsame Erklärung von 200 IHK-Firmen

 

Sehr geehrter Herr Dr. Siepmann.

Mit Verwunderung und Empörung haben wir den WZ-Bericht von heute zur Kenntnis genommen. Da die Initiatoren nicht im Einzelnen genannt werden, andererseits Ihre Stellungnahme zitiert wird, gehen wir davon aus, dass Sie auch Einfluss auf die Erklärung hatten. Wir sprechen Sie daher stellvertretend an.

Zunächst drängt sich die Frage auf, worüber sich die 200 Firmen der Region eigentlich beschweren. Welchen Mangel haben sie durch den derzeitigen Zuschnitt des Düsseldorfer Flughafens zu beklagen? Allgemeine Floskeln wie ‚Standortfaktor’ und ‚Motor für Wirt­schaftswachstum und Arbeitsplätze’ reichen so pauschal als Begründung nicht aus. Ehe nicht jede einzelne Firma einen für sie wichtigen Grund für den Ausbau des Flughafens angeben kann, besteht ein Glaubwürdigkeitsdefizit, das zu der Vermutung verleitet, daß es sich ausschließlich um eine Beschwerde der Flughafen GmbH handelt.

Der Verdacht einer Solidaritätsaktion zugunsten der Kollegen vom Flughafen wird erhärtet durch die Inhalte der aufgestellten Forderungen. Sie beziehen sich ausschließlich auf die wirtschaftlichen Interessen der Flughafen GmbH und werden in der gewohnten tendenziösen und verfälschenden Form vorgetragen.

Im Einzelnen bekunden sie

  1. Unkenntnis der Fakten und der einschlägigen Gutachten
  2. Utopische Zielformulierungen
  3. Unkenntnis der Ausführungen des OVG Münster
  4. Missachtung unserer Verfassung und der Rechtsordnung
  5. Verwechselung von Ursachen und Wirkungen; Nichterkennen des Wesentlichen

Das Einzige, was bestätigt werden kann, ist die negative Beurteilung der Landesluft­verkehrs­politik, die seit 50 Jahren keinen brauchbaren Beitrag zur Lösung des Problems DUS beigetragen hat.

Wir sind der Überzeugung, dass die Unterzeichner irregeführt wurden und dass sie bei Kenntnis der nachfolgenden Erläuterungen nicht unterschrieben hätten. Es ist deprimierend, dass die IHK, der ja alle Erkenntnisse zur Verfügung stehen, u.a. weil sie an den Fluglärm­kommissionssitzungen teilnimmt, und die es genau beurteilen kann, hier nicht für eine Versachlichung gesorgt hat und die Irreführungsversuche unterstützt. Auch dies wird wieder die Diskussion über die Aufgaben der IHKs und ihre mangelhafte Erfüllung entfachen; viele der Zwangsmitglieder fühlen sich ohnehin schlecht bedient.

Wir möchten Sie bitten, unsere Ausführungen den uns nicht bekannten Unterzeichnern zu­kommen zu lassen und ggf. uns an einer Informationsveranstaltung für die Unterzeichner zu diesem Themenkreis zu beteiligen.

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Dr. Renate Wildanger                                                      Joachim Hans Beckers

 

Anlage


Zu 1. Totale Unkenntnis der Fakten und der einschlägigen Gutachten:

a) Mehr als 38 +2 Bewegungen können gemäß Kapazitätsgutachten unter „Einbahn­bedingungen“ nicht geflogen werden. Die sog. „Technische Kapazität“ ist in der Praxis nicht fliegbar, weil diese nicht die Begrenzungen durch die Luftraumengpässe usw. enthält. Das ist so, als ob man mit einem 40 t-Lastzug auch wirklich 40 t transportieren wollte, obwohl über eine Brücke mit 25 t-Begrenzung gefahren werden muss.

b) Der tatsächliche Bedarf ist in DUS nicht so groß wie die derzeitige Kapazität. Die Fluggesellschaften haben auf Befragen kein Interesse an mehr Flügen geäußert, selbst nicht bei verbilligten Landeentgelten. Sie haben jetzt sogar 13.000 Slots zurückgegeben. Es war also kein Kapazitätsengpass, sondern eine reine Slotblockade, um den Wettbewerb zu behindern. So werden die wirklichen Ursachen verschleiert.

c) Eine Startbahnverlängerung ist unnötig, weil auch sehr weit entfernte Ziele nonstop angeflogen werden können, so z.B. jetzt schon planmäßig , Cancun, Chongqing, Colombo, Los Angeles, Miami, usw.  Auch Tokio könnte direkt angeflogen werden, wie die LTU immer wieder mitgeteilt hat, wenn nur die Landerechte nicht von der Lufthansa blockiert würden. Weitere Lang-Ziele, wie z.B. Kapstadt, sind  inzwischen von der SAA eingestellt worden, weil einfach nicht genügend Bedarf für DUS besteht. Also auch hier wird irreführend argumentiert. Die LTU kündigte zwar einen neuen Versuch an; aber der Erfolg muss abgewartet werden.

d) der tatsächliche Bedarf für geschäftlichen Verkehr ist sehr gering. Er war schon vor über 20 Jahren nur 17 % im Auslandsreiseverkehr und heute noch geringer, weil der Urlaubs­verkehr stark zugenommen hat.

e) Zur Zeit werden im Sommerflugplan von DUS 185 Ziele angeflogen, mehr als 17 % mehr als vor 10 Jahren und mehr als man z.B. vom größten europäischen Flughafen London-Heathrow anfliegen kann! Wie kann man da über „Verlieren des Standortfaktors und von Arbeitsplätzen“ jammern, alles Irreführung.

f) usw.

 

Zu 2. Utopische Zielformulierungen:

Der Angerlandvergleich gilt in seinem Kernbereich, das hat das Gericht klargestellt. Also sind alle Maßnahmen, die die Belastungen noch vergrößern könnten, unzulässig. Verträge müssen eingehalten werden. Ausserdem wollen die Fluggesellschaften nicht wirklich eine Bahnverlängerung und auch nicht mehr Kapazität, denn sie nutzen sie nicht einmal heute aus und so will der Flughafen Billigflieger heranziehen um Löcher zu stopfen, obwohl diese keinem nützen, sondern auf Dauer alle, auch die wirtschaftlichen Probleme, nur vergrößern werden. Panikartiges Umsichschlagen, um von den riesigen Wirtschaftlichkeitsproblemen durch den gigantischen Ausbau ohne echte Bedarfsprüfung abzulenken? Die Forderungen nach Anpassungsverhandlungen verkennen, dass es hierzu fast keinen wirksamen Spielraum gibt; man muss nur einmal die Ausführungen des Gerichts genau lesen. Sinnvoller ist, das Problem an der Wurzel zu packen und Alternativen zu entwickeln; es ist nie zu spät.

 

Zu 3. Unkenntnis der Ausführungen des OVG Münster:

Die immer wieder an die Stadt Ratingen gestellten Forderungen nach „Anpassung“ des Angerlandvergleiches zeigen, dass die Forderer die Urteile zum Angerlandvergleich nicht gelesen haben. „Anpassungen“ sind nur möglich, wenn das Interesse eines der Partner entfallen ist. Da aber der Kernbereich den Schutz vor den schädlichen Auswirkungen des Flugverkehrs betrifft und trotz allem die Zahl der in ihrer Gesundheit gefährdeten Anwohner auf über 50.000 angewachsen ist (Überschreitung des medizinischen Nachtkriteriums 5 mall 55 dB(A) am Ohr), ist das Interesse nicht nur nicht entfallen, sondern sogar noch angestiegen. Auch die Verdoppelung der Schutzaufwendungen löst nicht das Problem, denn die Maß­nahmen sind immer noch um etwa den Faktor 100 zu klein.

 

Zu 4. Missachtung unserer Verfassung und der Rechtsordnung:

Der vorstehend geschilderte Zustand, dass über 50.000 Anwohner in ihrer Gesundheit gefährdet werden ist eindeutig verfassungswidrig und wird von Landesregierung und Landtag seit Jahren ignoriert. Auch die Unterzeichner des Forderungskataloges verstoßen damit gegen unsere Verfassung, auch wenn ihnen der Zustand nicht klar gewesen sein sollte. Dass sie auch gegen die Rechtsordnung verstoßen, müssen sie aber wissen, denn für Geschäftsleute ist selbstverständlich, dass Verträge eingehalten werden müssen und dass der Vertrag vom Gericht als gültig festgestellt wurde, war Ihnen bekannt. Dass sie jetzt zum Vertragsbruch aufrufen, können sie nicht mit Unwissen bestreiten.

 

Zu 5. Verwechselung von Ursachen und Wirkungen; Nichterkennen des Wesentlichen:

Das Abwandern der Fernstrecken ist keine Frage der jetzt vorhandenen Flughafenkapazität, sondern Folge der Lufthansaentscheidung, Frankfurt zum Hub (Drehkreuz) auszubauen und als zweiten Hub München vorzusehen. Der Weltluftverkehr hat sich in den letzten Jahrzehnten so gewandelt, dass Fernstrecken wirtschaftlich fast nur von Drehkreuzen be­dient werden können, weil der Bedarf der Regionen zum Füllen von Großflugzeugen bis auf seltene Ausnahmen nicht ausreicht. Hubs werden weder von der Politik noch von Flughäfen gemacht, sondern ausschließlich aufgrund der Entscheidungen der sog. Megacarrier.

Verdrängt wird der entscheidende Zusammenhang: aufgrund der Stadtlage ist der Flughafen DUS für einen Großflughafen ungeeignet. Das ist seit über 50 Jahren bekannt und auch Grundlage des Angerlandvergleiches gewesen. Die Konsequenz daraus, einen geeigneteren Standort zu finden und aufzubauen, wurde von der Politik versäumt und auch von Kirchturmspolitikern verhindert. Die Hinweise auf das Wachstum von München zeigen gerade, dass es dort richtig gemacht wurde, nämlich München-Riem durch einen viel besser geeigneten Standort zu ersetzen. Hier die Stadt Ratingen anzugreifen, weil sie ihre Pflicht tut und ihre Bürger zu schützen versucht, ist völlig fehl am Platze: Klarzumachen ist, dass die Politik versagt hat, das Notwendige zu tun.

 

 

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